Will die Bayerische Landesregierung gegen geltendes Recht verstoßen?

In einer Pressemitteilung von diagnose:funk, einer unabhängigen Umwelt- und Verbraucher-Organisation, hieß es vor Kurzem: „Die Umwelt- und Verbraucherorganisation diagnose:funk empfiehlt der Bayerischen Digitalministerin Judith Gerlach (CSU), vor Äußerungen zu genehmigungsfreien Mobilfunkmasten die entsprechende Bundesverordnung zu lesen. Judith Gerlach hatte gestern gefordert, dass Betreiber ihre Mobilfunkmasten genehmigungsfrei bauen bzw. aufstellen dürfen.“ Dies würde bedeuten, dass sich die Bayerische Landesregierung über geltendes Kommunalrecht hinwegsetzen würde.

 

Dazu muss man wissen, dass diagnose:funk seit Jahren wissenschaftliche Erkenntnisse zusammenträgt, die belegen (sollen), dass Mobilfunk nicht nur positive Auswirkungen auf unser Leben hat, sondern handfeste körperliche Schäden verursacht. Zwischen dem Bundesamt für Strahlenschutz und diagnose:funk ist in diesem Themenkreis ein Wettstreit um die Deutungshoheit dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse entbrannt. Grundsätzlicher Tenor der Veröffentlichungen von diagnose:funk: Mobilfunk ist böse und macht krank. Diese Ansicht zu äußern ist legitim und im Sinne einer innergesellschaftlichen Diskussion in einer Demokratie auch wichtig. Nur so kann man als mündiger Bürger sich eine Meinung zu Themen bilden, die nicht nur von Bundesämtern und deren Verlautbarungen geprägt ist.

Die o.a. Mitteilung von diagnose:funk schoss aber offenbar übers Ziel hinaus. Denn zum gleichen Thema gibt es eine Pressemitteilung zur Kabinettssitzung vom 24.5.2022 von der Bayerischen Landesregierung, in der es wörtlich heißt: „Der Freistaat will bis zum Sommer mit den Kommunen sowie den Telekommunikationsbetreibern einen Pakt für digitale Infrastruktur ausarbeiten, um dem Ziel der Gigabitfähigkeit in schnellen Schritten noch näher zu kommen. Im Bereich Mobilfunk können insbesondere folgende Maßnahmen vereinbart werden, die nun mit den Paktpartnern zu besprechen und abzustimmen sind:

  • Erweitere Verfahrensfreiheit für Mobilfunkmasten bis zu einer Masthöhe von 15 Metern im Innenbereich und 20 Metern im Außenbereich.
  • Genehmigungsfreiheit der Aufstellung mobiler Masten der Mobilfunkanbieter bis zu 24 Monate.
  • Deutliche Verkürzung der Zeiten für das Genehmigungsverfahren durch die Einführung einer Genehmigungsfiktion, wie sie bereits aus der Wohnbebauung bekannt ist.
  • Reduzierung der Abstandsflächenvorgaben für Mobilfunkanlagen im Außenbereich, um die Anzahl geeigneter Standorte für die Betreiber zu vergrößern.“

Hier geht es also nicht darum, diese Genehmigungsfreiheit durchzusetzen, sondern mit den Kommunen und den Telekommunikationsunternehmen eine tragfähige Lösung zu finden, die den Ausbau der für die hiesige Wirtschaft wichtigen Mobilfunk-Abdeckung beschleunigt. Dass ein beschleunigter Mobilfunk-Ausbau nicht gerade die Interessen von diagnose:funk fördert, liegt auf der Hand, ist aber aus Sicht der Landesregierung dennoch legitim und wünschenswert. Es wird also weiterhin einen Wettstreit zwischen staatlichen Institutionen mit einem Interesse an schnellem Mobilfunkausbau einerseits und diagnose:funk mit einem Interesse an weniger Mobilfunk geben.

 


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