Wie Nokia und die TU München Robotern beibringen, die Welt wie Menschen zu sehen

Seit die NASA 2010 den Begriff des digitalen Zwillings eingeführt hat, hat sich das Konzept enorm weiterentwickelt. Die Grundidee ist, dass alle Informationen über einen physischen Ort wie eine Fabrik oder ein Gebäude gleichzeitig in digitaler Form zur Verfügung stehen, einschließlich der Maschinen, Anlagenteile, Roboter und anwesenden Personen. Mit Hilfe des digitalen Zwillings können Prozesse jederzeit analysiert, Entscheidungen getroffen und Anpassungen vorgenommen werden, um beispielsweise Fabriken produktiver und flexibler, Gebäude energieeffizienter und Industrieanlagen sicherer zu machen.

Gemessen an ihrem Potenzial stecken digitale Zwillinge noch in den Kinderschuhen. Denn um detaillierte digitale Zwillinge für komplexe physische Systeme zu realisieren, müssen viele Technologien ihren Beitrag leisten: von modernsten Netzwerktechnologien über Edge Computing bis hin zu fortschrittlichen KI-Lösungen. Ein Schlüsselelement ist unter anderem die Integration mobiler Roboter, z. B. in der Industrie 4.0 oder im Gesundheitswesen. Sie sind mobile, intelligente Arbeitskräfte und gleichzeitig „Datenlieferanten“ als mobile Objekte, die sich an einem Ort bewegen, Daten sammeln und in Echtzeit mit anderen Teilen des Systems interagieren. Die Entwicklung der Fähigkeiten und Datenqualität mobiler Roboter ist daher für viele Anwendungen entscheidend.

Wie können Roboter sehen lernen?

In einem gemeinsamen Projekt erforschen die Nokia Bell Labs und die Technische Universität München derzeit die Fähigkeit von Robotern, ihre Umgebung zu sehen und zu interpretieren. Dabei arbeiten sie mit KI/ML und Sensortechnologien. Konkret untersuchen Rastin Pries, Forscher bei den Nokia Bell Labs, und TU-Doktorand Sebastian Eger, wie mobile Roboter ähnlich einem Rover mit Hilfe einer eingebauten Kamera autonom in einer Fabrik oder einem Labor arbeiten können (Hier geht es zum Video). 

Die Herausforderung besteht darin, dass Roboter innerhalb von Gebäuden keine zuverlässigen GPS-Signale wie im Außenbereich erhalten. Eine genaue GPS-Positionsbestimmung ist so unmöglich, alternative Lösungen etwa mit 5G oder „sehenden“ Robotern sind deshalb gefragt. Mithilfe von Kameras, die am Roboter angebracht sind, können die Forscher nun aus dem, was der Roboter sieht, auf seine Position schließen. KI-Algorithmen identifizieren Objekte und Raummerkmale, indem sie tausende verschiedene Eckpunkte erkennen und diese mit einem digitalen Zwilling in der Edge-Cloud vergleichen, um den Standort und seine Umgebung, also den Kontext, zu bestimmen.

Roboter erkennen Objekte an ihrem Kontext

Menschen bestimmen ihren Standort übrigens auf ähnliche Weise. Auch wir verfügen nicht über ein natürliches GPS. Vielmehr erkennen wir unseren Standort über den lokalen Kontext, den Gesamtzusammenhang vor Ort. Mit Hilfe von KI ist es möglich, Robotern beizubringen, ihre Umgebung auf ähnliche Weise zu erkennen, so dass sie ihren genauen Standort ohne die Hilfe von Ortungstechnologien bestimmen können.

Ein Beispiel: Taucht eine Person im Sichtfeld des Roboters auf, identifiziert er sie als Mensch und kann anhand ihres Sicherheitsausweises feststellen, ob sie berechtigt ist, sich in dem Raum aufzuhalten. Darüber hinaus erstellt der Roboter aus den Bilddaten sehr schnell eine detaillierte 3D-Karte seiner Umgebung. Der Clou: Mit dieser 3D-Karte kann der digitale Zwilling des Labors aktualisiert und erweitert werden. Damit trägt die Technologie auch zur Weiterentwicklung von digitalen Zwillingen bei. Doch damit nicht genug: Auch für zukünftige Anwendungen in den Bereichen Augmented Reality (AR), Industrial Metaverse und autonomes Fahren spielen Lösungen mit maschinellem Sehen eine entscheidende Rolle. 

Um hier voranzukommen, ist es entscheidend, dass Forscherinnen und Forscher aus den verschiedensten Bereichen über den eigenen Tellerrand hinausblicken und ihre unterschiedlichen Kompetenzen einbringen. Nur so ist es möglich, das ganze Potenzial, das hinter einer Idee wie den digitalen Zwillingen steckt, zu entwickeln und voll auszuschöpfen.


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