Dass Firmen zu weltbeherrschenden Monstern mutieren, gehört zur Filmgeschichte wie Ketchup zu Pommes: Demolition Man mit Sylvester Stallone und Wesley Snipes ist ein besonders bekanntes Beispiel für dieses Filmgenre. Dass dies aber hierzulande zur bitteren Realität werden könnte, ist bislang den wenigsten bewusst. Dabei macht ein Schüler derzeit darauf aufmerksam, dass einige Firmen – Film- und Musikvertriebe, Spielehersteller und Internetzugangsanbieter – sich zusammengetan haben, um in „transparenter“ Weise dem Schutz des Urheberrechts Vorrang zu geben vor freier Meinungsäußerung und dem Verbot von Zensur: Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) übernimmt die Entscheidung, was als strukturell urheberrechtsverletzenden Webseite zu gelten hat.
Die Behauptung, diese CUII sei unabhängig, wirkt angesichts der Mitgliederliste (Allscreens Verband Filmverleih und audiovisuelle Medien e.V., Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., Bundesverband Musikindustrie e.V., DFL Deutsche Fußball Liga e.V., GAME, Verband der deutschen Games-Branche und viele weitere) ziemlich aus der Luft gegriffen, die Eigeninteressen der Verbände und Firmen sind so klar erkennbar, dass sie in diesem Verein nicht vertreten sein dürften, wenn er unabhängig sein wollte.
Das eigentliche Empfehlungsgremium ist zwar offenbar juristisch hochkarätig besetzt; dennoch bleibt zu erwarten, dass getreu dem Leibeigenen-Leitsatz „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ auch hier gilt, dass die CUII diese Juristen entlohnt und entsprechende Entscheidungen und Empfehlungen im Sinne des Auftraggebers erwartet. Diese Empfehlungen werden von der Bundesnetzagentur hinsichtlich des Schadens für die Netzneutralität beurteilt, jedoch nicht hinsichtlich der sachlichen Korrektheit der Empfehlung.
Die Internetzugangsanbieter setzen die „Empfehlungen“ der CUII um und sperren die Websites, indem sie die zugehörigen DNS-Einträge der betroffenen Websites löschen. Zunächst wurden die DNS-Einträge verbogen und endeten in einer Weiterleitung auf eine CUII-eigene „Informationswebsite“. Hinzu kommt die Frechheit, den Benutzerschutz als Hauptmotivation für dieses Verfahren anzuführen. So heißt es auf cuii.info, der Informationsseite der Vereinigung: „Nach dem CUII-Verhaltenskodex sollen ausschließlich eindeutige Fälle von urheberrechtsverletzenden Webseiten gesperrt werden. Das Angebot solcher Plattformen ist gezielt auf die Verletzung von urheberrechtlich geschützten Werken ausgerichtet. Solche Webseiten werden auch strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten genannt. Nutzerinnen und Nutzer setzen sich bei dem Besuch solcher Webseiten nur Risiken aus. Die Webseiten betreiben ein illegales Geschäftsmodell, das strafbar ist. Das bedeutet, dass die Webseiten nicht nur das Urheberrecht verletzen. Sie halten sich auch nicht an andere Gesetze, die Nutzerinnen und Nutzer schützen sollen. Vor allem Datenschutz ist auf solchen Webseiten ein Fremdwort! (…)“ Es gehört schon eine Menge Unverschämtheit dazu, den Schutz der Benutzer in den Vordergrund zu stellen, wo es letztlich nur um knallharte monetäre Interessen geht.
Wenig gut gelaufen ist für diesen Verein, dass ein Schüler die Liste der aktuell gesperrten Websites in die Finger bekommen hat und diese direkt ins Internet gestellt hat: https://cuiiliste.de/domains enthält alle derzeit gesperrten Sites. Es wäre ein großer Verdienst für das freie Netz, wenn sich ein freiheitsliebender Mensch über diese Liste machen könnte, um mögliche legale Inhalte hinter diesen Domains aufzuspüren, um damit zu beweisen, dass CUII overblocking betreibt. In der Redaktion ist man sich einig, dass es nicht angehen kann, dass private Firmen mit wirtschaftlichen Interessen die Kontrolle darüber übernehmen, was ihre Kunden und in letzter Konsequenz alle Menschen im Internet zu sehen bekommen, und was nicht. Ohne richterlichen Beschluss ist diese Art vorauseilender Gehorsam ein wichtiger Schritt hin zu Zensur und Meinungskontrolle. Insofern ist https://cuiiliste.de eine für die informelle Selbstbestimmung der Menschen wichtige Website, weil sie transparent macht, was CUII bei aller vorgeschützten Transparenz nicht publik machen möchte.
Stephan Mayer